Samenspende: Wie und warum wird Mann zum Samenspender?
Paare, bei denen eine natürliche Empfängnis oder eine künstliche Befruchtung mit den eigenen Spermien nicht möglich ist, sind früher oder später mit der Frage einer Samenspende konfrontiert. Das fremde Erbgut wirft hierbei viele kontroverse Fragen auf, auch innerhalb des Paares. Neben der Frage, ob das Paar überhaupt bereit ist, diesen Schritt zu gehen, werden vor allem die Fragen nach dem Spender diskutiert. Die rechtliche Grundlage hierbei ist je nach Land unterschiedlich. In der Schweiz hat das Paar keine Möglichkeit, den Spender nach einem Katalog auszusuchen. So übernimmt die Klinik die passende Wahl des Spermas unter Berücksichtigung der Blutgruppe, Statur, Haar- und Augenfarbe. In anderen Ländern können gewisse äusserliche Merkmale selbst bestimmt werden. Jedoch bleibt der Spender stets für die Paare anonym. In der Schweiz hat das Kind mit 18 Jahren das Recht, die Angaben seines biologischen Vaters zu erhalten und mit ihm auf Wunsch in Kontakt zu treten. Dies bedeutet, dass für die Eltern viele Fragen nach der Herkunft des Spenders, seine Gründe für die Spende, seine Ausbildung, und seine allgemeinen Charakterzüge unbekannt bleiben. Und doch dürfte viele Paare interessieren, was das für Männer sind. In diesem Blog werde ich einige dieser Fragen adressieren.
Es gibt einige Studien, die darüber Aufschluss geben, wer die Männer hinter der Samenspende sind. In einer gross angelegten Studie wurden alle Männer kontaktiert, welche in Schweden zwischen 2005 und 2008 als Samenspender akzeptiert wurden (Sydsjö et al., 2011). Von 156 Spendern nahmen 119 an der Studie teil, wovon 115 Teilnehmer (74%) ausreichende Daten für die Auswertung lieferten. Alle Männer waren zwischen 18 und 56 Jahre alt, und das Durchschnittsalter war 34 Jahre. Die Männer waren insgesamt sehr hoch gebildet; 63% hatten einen Universitätsabschluss. 36% waren Single, 19% hatten eine Partnerin, und 43% waren verheiratet oder lebten im Konkubinat. Zudem hatten 36% eigene biologische Kinder. Lediglich 10% hatten früher schon einmal Samen gespendet. Hauptuntersuchungsgegenstand der Studie war die Persönlichkeit der Männer. Es fand sich, dass die Samenspender als Gruppe selbstsicher und emotional stabil waren, sie hatten tiefe Werte in Besorgtheit, Schüchternheit und Ermüdbarkeit. Die Männer beschrieben sich auch als gesellschaftlich gut integriert. Zudem zeigte sich, dass die Samenspender hohe Werte in Autonomie, Selbstakzeptanz und Verantwortungsgefühl hatten und dass sie zielorientiert und ressourcenorientiert handeln.
In einer englischen Studie wurden alle 576 Männer kontaktiert, welche zwischen 2010 und 2016 in der Londoner Samenbank registriert waren (Graham et al., 2019). Davon hatten insgesamt 168 Samenspender (29%) den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Das Durchschnittsalter war 33 Jahre und auch in dieser Stichprobe waren die Teilnehmer insgesamt sehr hoch gebildet; 82% hatten einen Universitätsabschluss. Interessant waren auch die Angaben zur sexuellen Orientierung: 69% bezeichneten sich als heterosexuell, 23% als schwul, 5% als bisexuell, und 3% gaben «anderes» an. Insgesamt 40% waren Single, die restlichen 60% hatten eine Partnerin (oder einen Partner). Interessant waren auch die Angaben zur Berufstätigkeit: 76% gaben eine Vollzeitbeschäftigung an, 14% waren teilzeitbeschäftigt, und 10% waren nicht berufstätig. Hauptuntersuchungsgegenstand dieser Studie war die Motivation der Samenspender. Die meisten Männer (63%) gaben als wichtigsten Grund für die Samenspende an, dass sie anderen helfen wollen. Als weitere wichtige Motivationen wurden angegeben: anderen die Freude einer Elternschaft ermöglichen, Bestätigung seiner eigenen Fruchtbarkeit, seine Gene weiterreichen, Kinder haben (sich fortpflanzen), und etwas Wertvolles/Lohnenswertes tun.
Dies sind nur zwei Studien, und beide haben natürlich methodische Limitationen. In der englischen Studie war die Antwortrate mit 29% tief. Beide Studien beruhen zudem auf Selbstangaben und Selbsteinschätzungen und unterliegen zu einem gewissen Grad einer sozialen Erwünschtheit. Die Resultate können darum etwas verzerrt sein und sind darum nicht zwingendermassen repräsentativ. Nichtsdestotrotz bieten sie interessante Einblicke in wichtige Themen und können womöglich die eine oder andere Frage über Samenspender beantworten.
Literatur:
Graham S, et al. (2019). A comparison of the characteristics, motivations, preferences and expectations of men donating sperm online or through a sperm bank. Human Reproduction, 34: 2208-2218.
Sydsjö G, et al. (2012). Who becomes a sperm donor: personality characteristics in a national sample of identifiable donors. BJOG, 119: 33-39.
lic. phil. Sandrine Lehmann