Welche Therapieverfahren wirken bei Zwängen? Die Verhaltenstherapie hat sich in zahlreichen Studien als die wirksamste Behandlung bei Zwängen erwiesen, genauer die Konfrontation mit Reaktionsverhinderung (Exposition) sowie die Kognitive Verhaltenstherapie. Die Konfrontation mit Reaktionsverhinderung erzielt im Durchschnitt eine Besserungsrate von 70% nach der Therapie. Eine „spontane“ Besserung bei Zwangsstörungen tritt in der Regel nicht ein (Reinecker, 2009).

Gemäss Reinecker zeigen verschiedene Studien, dass nach einer Verbesserung der Symptomatik durch eine Verhaltenstherapie 2 bis 4 Jahre nach der Therapie etwas mehr als die Hälfte der Patienten die Besserung aufrechterhalten können.
Dies konnte Reinecker in einer Studie (Reinecker & Zaudig, 1995) mit Patienten 3 bis 8 Jahren nach erfolgreichem Behandlungsende bestätigen.
Damit es nach der Therapie zu weniger Verschlechterungen und Rückfällen kommt, sollten den Patienten nach Reinecker auch Strategien im Umgang mit Stress und Belastungen vermittelt werden.

Wie aber ergeht es Patienten 10 Jahre nach Behandlungsabschluss? Und welche Faktoren tragen dazu bei, wie sich die Zwangssymptome nach der Therapie auf lange Sicht entwickeln?
Über Langzeitwirkungen stationärer Psychotherapie bis zu einem Jahrzehnt nach der Therapie ist bislang noch nicht so viel bekannt.

In einer neueren Studie untersuchte Anne Kathrin Külz et al. Patienten (N= 60) 8 bis 10 Jahre nach einer intensiven, stationären kognitiven Verhaltenstherapie mit Exposition. Auf die ursprüngliche stationäre Behandlung hatten 83% der Patienten positiv angesprochen („responder“), davon waren 40% remittiert (gesund geworden).
Diese Patienten wurden nun 9 Jahre später erneut untersucht. Die Zwangssymptome wurden anhand bewährter Fragenbogen (Y-BOCS, OCI-R, QBQ, BDI-II) erfasst.
Unmittelbar nach der Behandlung hatten die Patienten bei den Zwangssystomen gemessen mit der Y-BOCS durchschnittlich eine Verbesserung von 50 %. Bei der Nachbefragung nach 9 Jahren betrug die durchschnittlich Verbesserung noch 36% im Vergleich zum Ausgangswert.
9 Jahre nach der stationären Verhaltenstherapie waren 43% gebessert, davon 20% remittiert.

Für die prozentuale Besserung 9 Jahre nach der Behandlung im Vergleich zum Ausgangswert war allerdings nur entscheidend, ob Patienten ihre Expositionsübungen nach dem stationären Aufenthalt fortgesetzt hatten oder nicht. Leider mangelt es nach wie vor an genügend qualifizierten ambulanten Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Zwangsstörungen wie Christine Poppe im Interview mit der Schweizerischen Zwangsgesellschaft (SGZ; Newsletter 1/2021) festhält. Es handelt sich um eine kleine Stichprobe, aber die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Zwangserkrankungen keinen chronischen Verlauf nehmen müssen. Ob die Verbesserung der Zwangssymptome nach einem Klinikaufenthalt nachhaltig ist, hängt entscheidend davon ab, ob die Expositionsübungen im ambulanten Setting im Selbstmanagement fortgesetzt werden.

Achten Sie daher auch nach einem erfolgreichen Therapieende darauf, die erlernten Strategien einzusetzen und selbstmotiviert weiter Expositionen und Übungen zu machen.

Quellen:

Külz, A. K., Wahl-Kordon, A. & Vorderholzer, U. (2020). Wie entwickeln sich Zwänge langfristig nach einem Klinikaufenthalt? Journal of Cognitive Psychotherapy 2020; Vol. 34/Issue 3: 261-271. DOI: 10.1891/JCPSY-D-20-00002.

Interview mit den Co-Präsidentinnen (2021). Newsletter SGZ; Vol. 1, S. 3-4.

Reinecker, H. (2009). Zwangshandlungen und Zwangsgedanken. Fortschritte der Psychotherapie. Göttingen: Hogrefe.

Reinecker. H. & Zaudig, M. (1995). Langzeiteffekte bei der Behandlung von Zwangsstörungen. Lengerich: W. Pabst.

 

 

                                               Lic. phil. Uta Liechti Braune