Covid-19-Pandemie und psychische Gesundheit: Ein kurzer Überblick über bisherige Erkenntnisse

Die Covid-19-Pandemie ist in den Medien omnipräsent: Neben den täglich publizierten Zahlen und Fakten (u.a. Inzidenz- und Todesraten, Reproduktionswert) werden immer häufiger auch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit thematisiert. Im Folgenden werden ein paar wichtige Erkenntnisse aus dem aktuellen Forschungsstand zusammengefasst.

Covid-19-Pandemie als multidimensionaler Stressfaktor:

Die Covid-19-Pandemie mit den damit verbundenen Sicherheitsmassnahmen wird als neuer, einzigartiger, multidimensionaler und potentiell toxischer Stressfaktor beschrieben.

Die folgenden fünf spezifischen Charakteristika werden aufgeführt:

1) Globale weltweite Verbreitung, unvorhersehbare Dauer →Ängste, Unsicherheit

2) Individuelle Auswirkungauf verschiedene Lebensbereiche → z.B. Beziehungskonflikte, finanzielle Sorgen

3) Wahrgenommener Kontrollverlustund Hilflosigkeitsgefühle

4) Systemische Auswirkungenauf verschiedene Bereiche der Gesellschaft (z.B. Wirtschaft, Kultur)

5) Eingeschränkter oder blockierter Zugangzu Schutzfaktoren (Freizeitaktivitäten) und Hilfesystemen

Zunahme psychischer Probleme:

Der besondere Stressfaktor erfordert individuelle Anpassungsleistungen an kurz- und langfristige Folgen – d.h. unsere psychische Flexibilität ist gefordert. Da psychische Störungen eine längere Inkubationszeit haben, ist mit einem weiteren nachweisbaren Anstieg folgender psychischer Störungen zu rechnen: Depressionen, Anpassungsstörungen, Angst- und Zwangserkrankungen und Traumafolgestörungen.

Vulnerabilitäten und Risikofaktoren:

Aufgrund der bisherigen Erkenntnislage wird darauf hingewiesen, dass unterschiedliche Personengruppen unterschiedliche Risikofaktoren haben und somit unterschiedliche Präventions- und Interventionsmassnahmen benötigen. So sind die Bedürfnisse und Risiken zum Beispiel je nach Altersgruppe unterschiedlich. Typische Risikofaktoren sind:

1) Soziale Faktoren:Verlust sozialer Kontakte, Verlust Betreuung/Beschulung, niedriger sozioökonomischer Status, Migrationshintergrund, Kurzarbeit / Arbeitsplatzverlust, Tätigkeit in systemrelevantem Beruf, Fehlender Zugang zu Medien.

2) Gesundheitliche Faktoren:COVID-19-Infektion, körperliche und/oder psychische Vorerkrankung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Wegfall von Sportangeboten/Bewegungsmöglichkeiten.

3) Sonstige Faktoren:Isolation und wahrgenommene Einsamkeit, Dauer & Intensität der Schutzmassnahmen, interpersonale Konflikte, geringes Kontrollerleben, Erkrankung & Tod von Angehörigen.

Was schützt vor einer psychischen Erkrankung?

Ob jemand eine psychische Symptomatik entwickelt oder nicht, ist in grossem Masse von der individuellen Bewältigung und Anpassungsfähigkeit abhängig. In der Resilienzforschung konnte bereits vor der Pandemie ein stabiler Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und empfundener sozialer Unterstützung, Optimismus und Selbstwirksamkeit nachgewiesen werden. In einer noch laufenden europäischen Studie zu Resilienzfaktoren in der Pandemie (Projekt: DynaCORE) zeigen die Daten dahin, dass Personen, die einen positiven Bewertungsstil haben und unveränderbare Dinge akzeptieren können, weniger psychische Probleme entwickeln als Personen ohne diese Eigenschaften.

Quellen:

Brakemeier, E.-L. et al. (2020). Die COVID-19-Pandemie als Herausforderung für die psychische Gesundheit. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Positionspapier Preprint: https://doi.org10.1026/1616-3443/a000574

Gruber, J. et al. (2020). Mental Health and Clinical Psychological Science in the Time of Covid-19: Challenges, Opportunities, and a Call to Action. PsyArXiv Preprints: https://doi.org/10.31234/osf.io/desg9

DynaCORE-Projekt. https://dynamore-project.eu/our-studies/dynacore-l-de/

Lic. phil. Misa Yamanaka-Altenstein